Du bist ausgerüstet zu jedem guten Werk
Der heutige Sonntag lädt uns ein zu Mut, Standhaftigkeit, Geduld und Hartnäckigkeit im Einsatz für das Evangelium und für die Gerechtigkeit, die Gott uns schenken will.
Als Vorbild dafür stellt uns Jesus eine Witwe vor Augen, die echt lästig ist und immer wieder zu dem ungerechten Richter kommt, der sich eigentlich gar nicht für sie interessiert, bis er ihr aber doch zu ihrem Recht verhilft. Diese Hartnäckigkeit dürfen wir uns von ihr abschauen, in unserem Gebet und in unserem Einsatz für Gerechtigkeit.
Bei diesem Gleichnis besteht die große Gefahr, dass wir Gott mit diesem ungerechten Richter gleichsetzen. Das ist damit aber ganz und gar nicht gemeint.
Jesus sagt uns, wenn sogar dieser Richter, dieser Frau zu ihrem Recht verhilft, damit er seine Ruhe hat, um wie viel mehr sorgt sich Gott um uns, die wir seine Auserwählten sind.
“Sollte Gott seinen Auserwählten,
die Tag und Nacht zu ihm schreien,
nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern bei ihnen zögern?
Ich sage euch:
…Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen.” (Lukas 18,7-8)
Gott hört unser Schreien und sieht unsere Not und wendet sich uns zu in seiner Liebe.
Daran hat uns unser Papst Leo mit seinem ersten Apostolischen Schreiben, das am 4. Oktober veröffentlicht wurde, erinnert. Dilexi te heißt dieses Schreiben “Ich habe mich dir zugewandt" und er schreibt darin über die Liebe zu den Armen.
Gott sieht und hört die Not der Menschen und wendet sich ihnen zu. Und wie macht er das?
Als Beispiel erwähnt der Papst die Berufung des Mose am brennenden Dornbusch. Gott spricht zu Mose mitten in seiner Alltagstätigkeit: »Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne sein Leid. Ich bin herabgestiegen, um es der Hand der Ägypter zu entreißen […]. Und jetzt geh! Ich sende dich« ( Ex 3,7-8.10).
Wir ahnen schon, wie der Hase läuft. ;-) Gott will mit uns gemeinsam diese Mission erfüllen. Wir dürfen und sollen all unsere Klage und unsere Not zum Herrn bringen und er hört uns und er rüstet uns aus, etwas dagegen zu tun. Sein Heiliger Geist lebt in uns, durch seine Gegenwart, durch seine Liebe, durch seine Ermutigung in der Heiligen Schrift werden wir “ausgerüstet zu jedem guten Werk”. So haben wir es heute im zweiten Timotheusbrief gehört. (2 Timotheus 3,17)
Gott rüstet uns aus zu jedem guten Werk. Mich berührt das voll. Ich muss es nicht aus meiner eigenen Kraft heraus tun. Er gibt mir alles, was ich brauche, um Gutes zu tun.
Und der Papst erinnert uns auch daran, dass die Armen nicht einfach nur ein soziales Problem sind, das gelöst werden muss, sondern dass wir in den Armen Jesus selber begegnen. Und ein Zitat möchte ich noch mit euch teilen aus dem Schreiben dilexi te (43), das mich sehr berührt hat: Der Heilige Ambrosius sagt:
“Du gibst dem Armen nicht von deinem Eigentum, sondern du gibst ihm von dem seinen zurück. Denn du hast dir bloß das angemaßt, was für den gemeinsamen Gebrauch bestimmt war.”
Wir dürfen uns mit unserer Kreativität, mit all unserem Handeln im Kleinen und Großen dafür einsetzen, dass das, was uns allen gemeinsam geschenkt worden ist, auch so verteilt wird, dass sich alle daran erfreuen können. Dieser Auftrag könnte uns leicht überfordern, angesichts der großen Not der Welt, aber Papst Leo ermutigt uns, einfach ganz konkret in kleinen Schritten anzufangen, so wie wir es können. Er sagt: “Keine Geste der Zuneigung, auch nicht die kleinste, wird vergessen werden, besonders wenn sie denen gilt, die in Schmerz, Einsamkeit und Not sind…” (dilexi te 4)
Zu so einem kleinen konkreten Schritt haben wir heute nach der Messe auch Gelegenheit. Unsere Minis machen wieder mit bei der österreichweiten Jugendaktion von Missio. Sie werden nach der Messe köstliche Missio-Schokolade und Chips verkaufen. Sie wurden fair produziert und mit dem Erlös des Verkaufs werden weltweit Projekte gegen Kinderarmut unterstützt. In der Ministunde haben wir uns zum Beispiel besonders mit einem Projekt im Südsudan auseinandergesetzt. Dort wird mit dem Erlös des Schoko-Verkaufs eine Ernährungsstation für Kleinkinder unterstützt. Die Vinzenzgemeinschaft verteilt dort nahrhaften Linsen- und Bohnenbrei für hungernde Kleinkinder und versorgt sie auch medizinisch.
Wir freuen uns also, wenn ihr ein kleines Zeichen unserer Liebe zu den Armen setzt und Schoko kauft. Ihr könnt euch entweder selber daran erfreuen, oder noch jemand anderen damit eine Freude machen, frei nach dem Motto der Jugendaktion: einfach köstlich, doppelt gut.
Amen.
Ausgewählte Zitate aus dilexi te:
43. Du gibst dem Armen nicht von deinem Eigentum, sondern du gibst ihm von dem seinen zurück. Denn du hast dir bloß das angemaßt, was für den gemeinsamen Gebrauch bestimmt war.« [34]
44. Für Augustinus ist der Arme nicht nur ein Mensch, dem geholfen werden muss, sondern die sakramentale Gegenwart des Herrn.
53. Die christliche Nähe zu den Kranken zeigt, dass die Erlösung nicht eine abstrakte Idee ist, sondern konkretes Handeln. Durch das Versorgen einer Wunde verkündet die Kirche, dass das Reich Gottes unter den Schwächsten seinen Anfang nimmt. Und auf diese Weise bleibt sie demjenigen treu, der gesagt hat: »Ich war krank, und ihr habt mich besucht« (Mt 25,36)
76. Die Ärmsten der Armen – diejenigen, denen es nicht nur an Gütern mangelt, sondern auch an Stimme und Anerkennung ihrer Würde – nehmen einen besonderen Platz im Herzen Gottes ein. Sie sind die Auserwählten des Evangeliums, die Erben des Reiches Gottes (vgl. Lk 6,20). In ihnen fährt Christus fort zu leiden und aufzuerstehen. Durch sie entdeckt die Kirche wieder neu, dass sie gerufen ist, zu zeigen was ihr eigentliches Wesen ist.
77. Unsere armen Menschen sind großartige Menschen, sie sind sehr liebenswerte Menschen, sie brauchen nicht unser Mitleid und unser Mitgefühl, sie brauchen unsere einfühlsame Liebe. Sie brauchen unseren Respekt, sie brauchen, dass wir sie mit Würde behandeln.« [67] All dies entsprang einer tiefen Spiritualität, die den Dienst an den Ärmsten als Frucht des Gebets und der Liebe ansah, die die Quelle wahren Friedens ist, wie Papst Johannes Paul II. den Pilgern in Erinnerung rief, die zu ihrer Seligsprechung nach Rom gekommen waren: »Wo fand Mutter Teresa die Kraft, um sich vollkommen in den Dienst an den Mitmenschen zu stellen? Sie fand sie im Gebet und in der stillen Betrachtung Jesu Christi, seines Heiligen Antlitzes und seines Heiligsten Herzens. … Teresa sah sich nicht als Philanthropin oder Aktivistin, sondern als Braut des gekreuzigten Christus, dem sie in den leidenden Brüdern und Schwestern mit ganzer Liebe diente.
79. Es geht nicht darum, Gott zu ihnen „zu bringen”, sondern ihm bei ihnen zu begegnen.
95. Sind die weniger Begabten keine Menschen? Haben die Schwachen nicht die gleiche Würde wie wir? Sind diejenigen, die mit weniger Möglichkeiten geboren wurden, als Menschen weniger wert und müssen sich damit begnügen, bloß zu überleben? Von der Antwort, die wir auf diese Fragen geben, hängt der Wert unserer Gesellschaften ab, und von ihr hängt auch unsere Zukunft ab. Entweder wir gewinnen unsere moralische und geistige Würde zurück oder wir fallen gleichsam in ein Schmutzloch.
104. Christen dürfen die Armen nicht bloß als soziales Problem betrachten: Sie sind eine „Familienangelegenheit“. Sie gehören „zu den Unsrigen“. Die Beziehung zu ihnen darf nicht auf eine Tätigkeit oder eine amtliche Verpflichtung der Kirche reduziert werden. Wie die Versammlung von Aparecida lehrt, »ist von uns [gefordert], dass wir den Armen Zeit widmen, uns ihnen liebevoll zuwenden, ihnen aufmerksam zuhören und ihnen in schwierigsten Momenten beistehen. So entscheiden wir uns für sie und teilen mit ihnen Stunden, Wochen oder auch Jahre unseres Lebens und suchen zusammen mit ihnen ihre Lage zu ändern. Wir dürfen nicht vergessen, dass uns Jesus selbst durch sein Tun und Reden ein Beispiel dafür ist.« [114]
108. Nicht selten macht Wohlstand blind, so dass wir bisweilen sogar meinen, wir könnten nur dann glücklich werden, wenn wir ohne die anderen auskommen. In dieser Hinsicht können die Armen für uns wie stille Lehrer sein, die unseren Stolz und unsere Arroganz in die richtige Demut zurückführen.
110. Tatsächlich sind die Armen für die Christen keine soziologische Kategorie, sondern das Fleisch Christi selbst. Es genügt nämlich nicht, die Lehre von der Menschwerdung Gottes allgemein zu verkünden; um wirklich in dieses Geheimnis einzutreten, muss man genauer sagen, dass der Herr Fleisch angenommen hat, das hungert, dürstet, krank ist und gefangen.
113. Tatsächlich läuft »jede beliebige Gemeinschaft in der Kirche, die beansprucht, in ihrer Ruhe zu verharren, ohne sich kreativ darum zu kümmern und wirksam daran mitzuarbeiten, dass die Armen in Würde leben können und niemand ausgeschlossen wird, […] die Gefahr der Auflösung, auch wenn sie über soziale Themen spricht und die Regierungen kritisiert. Sie wird schließlich leicht in einer mit religiösen Übungen, unfruchtbaren Versammlungen und leeren Reden heuchlerisch verborgenen spirituellen Weltlichkeit untergehen.« [126]
115. Einerseits betone ich noch einmal, dass die wichtigste Hilfe für einen armen Menschen darin besteht, ihm zu einer guten Arbeit zu verhelfen, damit er sich durch die Entfaltung seiner Fähigkeiten und durch seinen persönlichen Einsatz ein Leben verdienen kann, das seiner Würde besser entspricht. Tatsächlich ist »Arbeitslosigkeit […] viel mehr als das Versiegen einer Einkommensquelle für den Lebensunterhalt. Die Arbeit ist auch das, aber sie ist noch viel, viel mehr. Durch die Arbeit werden wir mehr zur Person, gedeiht unsere Menschlichkeit. Junge Menschen werden nur durch die Arbeit erwachsen. Die Soziallehre der Kirche hat die menschliche Arbeit stets als eine Teilhabe an der Schöpfung betrachtet, die täglich fortgesetzt wird, auch durch die Hände, den Verstand und das Herz der Arbeiter.« [128] Andererseits dürfen wir uns, wenn eine solche konkrete Möglichkeit noch nicht besteht, nicht auf das Risiko einlassen, einen Menschen ohne das Nötigste für ein würdiges Leben seinem Schicksal zu überlassen. Deshalb bleibt die Almosengabe eine notwendige Gelegenheit der Berührung, der Begegnung und der Empathie.
116. Sie hält jedoch zumindest dazu an, innezuhalten und den Armen ins Gesicht zu schauen, sie zu berühren und etwas vom eigenen Besitz mit ihnen zu teilen. In jedem Fall verleiht die Almosengabe, auch wenn sie gering ist, einem Sozialleben, in dem alle ihren persönlichen Interessen nacheilen, eine gewisse Pietas.