Entscheidung zum Guten
Sind Sie auch drauf reingefallen? “Diesen beschuldigte man bei ihm, er verschleudere sein Vermögen.” Das ist die Information über den Verwalter, die wir haben, sein reicher Herr allerdings hatte auch nicht mehr. Es wird nicht gesagt, wer ihn beschuldigt, und es wird auch keine Grundlage genannt, schon gar nichts Konkretes, was er sich zu schulden kommen ließ. So schnell kann es gehen, dass jemand verurteilt wird und im schlimmsten Fall seine ganze Existenz auf dem Spiel steht.
Zwei unterschiedlich tragische Fälle, in denen zumindest teilweise Fake news eine große Rolle spielen, erleben wir derzeit: Der Trubel um drei starrsinnige Klosterschwestern bzw. drei hochbetagte Nonnen, die ihr Kloster “besetzen”, und sicher um einiges schlimmer, aber viel weiter weg das Drama um die Ermordung von Charlie Kirk - für die einen Faschist, für die anderen ein Märtyrer, für Wikipedia recht neutral ein politischer Aktivist. Nur 2 Beispiele von vielen, wie schwer es heute geworden ist, Ereignisse objektiv zu beurteilen. Früher war das möglicherweise leichter, weil viel weniger Menschen eine Deutungshoheit für sich beanspruchten??
Doch Mitte des 19. Jahrhunderts stellte Nestroy fest: “Der Mensch is' gut, aber die Leut' san a G'sindel!” (Nestroy 1801 – 1862), und im Buch Amos (vor ca. 2800 Jahren entstanden) prangert der Prophet das betrügerische Wirken und die Habgier von Menschen an, die sogar die Ärmsten ausbeuteten und nur auf den eigenen Gewinn aus waren.
Trotz dieser langen Unrechtsgeschichte haben wir als Menschen die Sehnsucht nach einem guten Leben und viele von uns nach einem guten Leben für möglichst viele Menschen, nicht nur für uns selbst. Wir leben in einer Gesellschaft, in Systemen, in einer Kirche, die unerlöst scheint, auch wenn wir durch Jesu Leiden, Sterben und sein Auferstehen bereits erlöst sind. Kriege, Naturkatastrophen, tragische Schicksalsschläge im persönlichen Leben verdecken diese Erlösung. Vielleicht können uns der Verwalter und sein Herr helfen. Für mich ist das schön in einer Antwort im Bibliolog beim Frauenfrühstück vorgestern in Christkönig zu diesem Evangelium deutlich geworden: “Es gibt Menschen, die sich zurückziehen können, die ihr Leben ganz Gott widmen. Und dann gibt es solche wie mich, die das nicht können, die in dieser Welt zurechtkommen müssen, mit allen Herausforderungen un Schwierigkeiten”. Ich sage: es geht nicht um entweder – oder, sondern um ein sowohl als auch. Wenn jede*r von uns auch nur das Geringste dazu beiträgt, dass es ein wenig heller und gerechter in unserer Welt wird, wenn ich meine Verantwortung in meinem unmittelbaren Umfeld wahrnehme: wenn ich da bin in ausweglosen Situationen, wenn ich da bin, wo jemand trauert, wenn ich da bin und mich gegen Ungerechtigkeit auflehne, wenn ich zuverlässig bin in meinem Verantwortungsbereich, dann hat das auch Einfluss auf das große Ganze, in dem wir uns jetzt bewegen und auch auf das, wohin wir zugehen: auf das Leben in Fülle, das Gott uns verheißen hat. Dazu braucht es von mir immer wieder neu die Entscheidung für das Gute. Das muss nicht immer die Entscheidung gegen das Geld oder den Reichtum sein. Die Autor*innen biblischer Bücher betreiben kein Bashing der Reichen, sondern sie legen ihr Augenmerk dorthin, wo Reichtum zu Ungerechtigkeit und ins Verderben führt. Die Aufforderung Jesu wird für mich klarer: bleibe und lebe in dieser Welt, nimm das Nützliche, das du dort lernen kannst, denn: du bist nicht schuld daran, dass die Welt so ist, wie sie ist.
Aber du bist daran schuld, wenn sie so bleibt. Amen.